WHY THIS PROJECT
Was ist „digitale Infrastruktur“?
Wenn du diese Zeilen liest, nutzt du bereits einen Teil davon: Smartphones und Computer sind Endpunkte eines gewaltigen, weltumspannenden Kommunikationsnetz aus Servern, Rechenzentren, Unterseekabeln, Kraftwerken und unzähligen weiteren Elementen. Hier untersuchen wir digitale Infrastruktur anhand von sechs „Sphären“, die jeweils einen bestimmten Aspekt globaler digitaler Netzwerke darstellen: Earth, Cloud, City, Address, Interface und User.
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THE EARTH REALM
Die „Erde“ (Earth) ist der Ort, an dem die Ressourcen und die Energie zu finden sind, die für den Aufbau, den Erhalt und den Ausbau der planetarischen digitalen Kommunikationsinfrastruktur benötigt werden.
In dieser Sphäre erleben wir einen Wettstreit zwischen zwei Paradigmen: einem dominanten, „hyper-extraktivistischen“ Modell und einer neuen – zugleich uralten – nachhaltigen Alternative. Diese wird als „Sympoiesis“ bezeichnet: ein Prozess gemeinschaftlicher Hervorbringung, in dem menschliche und mehr-als-menschliche Wesen unablässig Systeme, Welten und Bedeutungen mitgestalten. Wir laden dich ein, einen Atlas allegorischer Symbole zu erkunden, die jeweils einen spezifischen Aspekt dieser Ebene und ihrer konkurrierenden Modelle zeigen.
Rohstoffgewinnung
Die Spitzhacke
Die Spitzhacke bricht die Erdkruste auf und legt ihre verborgenen Schätze frei. Doch in unserer Zeit steht Rohstoffgewinnung zunehmend für Eroberung und Kontrolle.
Seit Menschen den Nutzen von Lehm und Feuerstein entdeckten, gilt der Boden unter unseren Füßen als Quelle wertvoller Rohstoffe. Doch Rohstoffabbau umfasst weit mehr als Mineralien: Er formt die globale Wirtschaft und erinnert uns daran, dass natürliche Ressourcen selbst im digitalen Zeitalter unverzichtbar bleiben.
Zerstörung
Mineralisches Substrat
Da die Verfügbarkeit von Ressourcen abnimmt, wird ihre Gewinnung zunehmend zerstörerischer, mit verheerenden ökologischen und sozialen Folgen.
Die Bodenschätze sind begrenzt. Selbst jene, die sich theoretisch erneuern könnten – wie fossile Brennstoffe – tun dies nicht im Maßstab menschlicher Zeit. Doch der kapitalistische Hunger nach Energie und Mineralien ist unersättlich. Und während die Vorräte auf der Erde schrumpfen, richten sich bereits gierige Blicke auf kostbare Metalle im Weltall.
Entleerung
Die Ölplattform
Fossile Brennstoffe sind die verdichteten Überreste urzeitlichen Lebens, die sich über Millionen von Jahren unter der Erdkruste angesammelt haben.
Ihr Abbau ist ein Akt zeitlicher Gewalt – er saugt die Tiefenzeit des Planeten aus, um die Unmittelbarkeit unserer Gegenwart zu speisen. Jeder Liter Öl verkörpert Jahrtausende geologischer Verdichtung, verwandelt in Sekunden der Verbrennung. Die digitale Welt, die wir gerne als immateriell begreifen, wird von dieser verflüssigten Vergangenheit genährt – ein verborgener Totenkult.
Finanzen
Der Halbleiterchip
Der Mikrochip ist der Motor der finanziellen Abstraktion. Er wandelt Materie in Zahlenwerte, Elektronen in Kapital und Geschwindigkeit in Kontrolle um.
Die globale Halbleiterindustrie ist auf komplexe Lieferketten für seltene Mineralien und fossile Brennstoffe angewiesen, doch sie hält die Illusion von entmaterialisiertem Reichtum aufrecht. Die Finanzwelt bewegt sich heute im Tempo der Datenverarbeitung: Algorithmen ersetzen Broker, Spekulationen ersetzen Produktion. Der Chip ist die neue Münzstätte des Spätkapitalismus.
Reduktion
Die kartierte Landfläche
Kartieren bedeutet vereinfachen: die enorme Komplexität der Welt auf eine lesbare Fläche zu komprimieren. Reduktion ist eine Form der Herrschaft.
Reduktion ist zugleich ein technischer und ideologischer Akt: Sie verwandelt das Unmessbare in Einheiten, das Kontinuierliche in einzelne Punkte, das Lebendige in Daten. Digitale Kartografien – von Satellitenbildern bis zu KI-Modellen – ebnen die Welt ein, um sie berechenbar zu machen. Dieser Prozess verspricht Kontrolle, löscht jedoch auch Tiefe aus: Je mehr wir messen, desto weniger sehen wir.
Ausbeutung
Die Batterie
Hinter ihrer schlichten Oberfläche verbirgt sich eine Kette der Ausbeutung, die sich von den Kobaltminen im Kongo bis zu den chinesischen Gigafabriken erstreckt.
Die Batterie ist das grüne Symbol des digitalen Zeitalters: ein Versprechen von Autonomie, Mobilität und Nachhaltigkeit. Doch Energie entsteht durch Extraktion, nicht durch Befreiung. Jedes tragbare Gerät hängt von unsichtbaren Arbeiter*innen und verwüsteten Landschaften ab. Und selbst „saubere“ Technologien treiben die koloniale Expansion aufs Neue voran.
Zusammenarbeit
Die Koralle
Korallen sind keine einzelnen Organismen, sondern lebende Gemeinschaften – Kolonien von Polypen, die mit Algen, Bakterien und Mineralien verflochten sind.
Sie verkörpern ein alternatives Existenzmodell zum Extraktivismus: eines, das auf Zusammenarbeit, wechselseitiger Abhängigkeit und gegenseitiger Fürsorge basiert. Jedes Riff ist eine Infrastruktur des gemeinsamen Überlebens, in der die Grenze zwischen Individuum und Kollektiv verschwindet. In einer Zeit, die von Wettbewerb und Ausbeutung geprägt ist, erinnern uns Korallen daran, dass Gedeihen bedeutet, gemeinsam etwas aufzubauen, statt alleine.
Vermehrung
Der Löwenzahn
Die Samen des Löwenzahns verbreiten sich durch die Luft, getragen vom leichtesten Windhauch. Seine Strategie ist nicht die Dominanz, sondern die Verbreitung.
Jeder Samen birgt das Potenzial, an neuen, unerwarteten Orten Wurzeln zu schlagen. Vermehrung ist hier keine Reproduktion, sondern Anpassung: ein stiller, beharrlicher Aufstand des Lebens. Wie Memes oder Open-Source-Code lehren uns Löwenzähne, dass das Überleben in einer feindlichen Umgebung von der Fähigkeit abhängt, sich überall mit Leichtigkeit zu verbreiten. Sich zu vermehren bedeutet, widerstandsfähig zu werden.
Sei achtsam
Der Baum des Lebens
Der Baum der Erkenntnis, Yggdrasil, Kalpavriksha, der Weltenbaum – der Baum des Lebens hat viele Namen, die alle flüstern: „Sei achtsam.“
Ein Baum, so alt wie das Universum selbst, der Himmel und Erde verbindet und verbotene Geheimnisse über Gut und Böse offenbart: Viele Religionen und Mythologien verschiedener Kulturen und Epochen haben dieses Symbol gemeinsam. Heute lebt es durch die geschickte Aneignung seiner Früchte als Symbol digitaler Technologie weiter.
Heilen
Das Herbarium
Ein Herbarium ist ein Archiv der Fürsorge, eine stille Technik der Bewahrung, in der jedes gepresste Blatt Aufzeichnung und Heilmittel zugleich wird – ein Akt der Aufmerksamkeit.
Digitale Infrastrukturen könnten wie planetare Herbarien funktionieren: als feine Archive, die nicht nur Daten speichern, sondern Beziehungen der Fürsorge zwischen Menschen, Materialien und Ökosystemen. Zu heilen heißt, den Extraktionsfluss zu bremsen und Gegenseitigkeit zu pflegen – Netzwerke zu entwerfen, die zurückgeben, was sie entnehmen, und die regenerieren statt auslaugen.
Dekolonisieren
Achillea Millefolium
Achillea millefolium – Schafgarbe – wächst überall: in Rissen, auf Brachflächen und vergessenen Feldern. Schafgarbe erobert kein Territorium, sie gewinnt es zurück.
Ihre Wurzeln breiten sich horizontal aus und verweben Netze im Boden. Ihre Blätter heilen Wunden. Ihre Blüten locken Bestäuber an. Schafgarbe ist ein Fürsorgesystem, das sich als Unkraut tarnt. Dekolonisieren heißt, die Hierarchien zu verlernen, die Wissen von Intuition und Wissenschaft von Ritual trennen. Dekolonisieren heißt, zu wachsen wie Achillea: widerständig, verbunden und unbeherrschbar.
Überleben
Die Qualle
Die Qualle treibt mit müheloser Widerstandsfähigkeit durch wechselnde Strömungen: ein lebender Algorithmus der Anpassungsfähigkeit.
Sie gedeiht ohne Übermaß und verkörpert eine Logik minimalen Energieverbrauchs und stetiger Verwandlung. In einer Zeit, in der unsere digitalen Systeme Ozeane an Strom verschlingen, um Intelligenz zu simulieren, bietet die Qualle ein Gegenbild: Rechenkraft, die mit ihrer Umwelt arbeitet statt gegen sie. Zu überleben heißt, Infrastrukturen zu schaffen, die nachgeben, sich verkleinern und koexistieren können.
THE (W)HOLE REPOSITORY
Herzlichen Glückwunsch, dass du es bis hierher geschafft hast!
Im folgenden Abschnitt findest du eine sorgfältig zusammengestellte Liste von Online-Ressourcen, die darauf abzielen, die weite Welt der digitalen Infrastrukturen zu untersuchen, zu kritisieren und zu verbessern, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den in diesem Bereich vorgestellten Themen liegt. Wenn dir dieser Abschnitt gefällt, schau doch mal auf der Hauptseite unseres Repositoriums vorbei, wo du viele weitere Links aus allen anderen Bereichen des (W)HOLE-Projekts findest.